Noch mächtig beeindruckt von der teutonischen Disziplin in Sachen Schutz – zumindest in Wild-Süd-West — hatte der erste Kurztrip nach der Grenzöffnung schon etwas Spezielles. Während in Zürich bis auf das Bahnpersonal kaum jemand Mund- und Nasenschutz trägt, ändert sich die Lage ab dem Rheinfall dramatisch: wie auf Signal packen die Mitreisenden ihre Masken aus, nesteln an Ausrichtung und Sitz der Bedeckung und schauen sich ob der erfolgten Verwandlung interessiert an und um. Als Maskennovize war modisch vorgesorgt, die Sache selbst blieb fremd und ungewohnt. Der Intercity (noch) leer wie nie zuvor, im Reiseziel tauen die Städte und Einkaufscenter erst allmählich und vorsichtig auf. Faktor R momentan näher bei 2 als 1, Tönnies nicht wirklich weit weg. Sein williges Fleisch lächelt zu unmoralischen Preisen aus dem Discounterprospekt. Vor Ort dennoch spürbar der Teamgeist: innerhalb weniger Tage bereits 10 Mio Apps im Umlauf.
Ohne Atempause
Social Distancing bislang eher ungewohnt bei Familienbesuchen, doch selbst ungeübt gleich eingespielt. Das Ding ist ja noch da, unsichtbar lauert es im Supermarkt. Dass die Schweiz nie das Maskenritual durchsetzte befremdet, im grossen Kanton funktioniert es jedenfalls im öffentlichen Leben. Sitzt, sieht gut aus und hat was. Beängstigendes.
Der Atem lässt sich filtriert spürbar zäher inhalieren, umgekehrt ist der in seiner freien Entfaltung gehemmte Odem in der unmittelbaren nasalen Analyse entweder der Nahrungsaufnahme, der hygienischen Verfassung von Mund- und Rachenhöhle oder beidem leicht zuzuordnen. Verdufte Corona!
Beim Zugwechsel retour ist es sicherlich nicht nur der fragwürdigen Kondition geschuldet, dass auf den letzten Metern der Sprintentscheidung bei vollem Marschgepäck im Hauptahnhof die Baumwollmaske noch weit vor dem erfolgreichen Zieleinlauf lechzend runter gerissen werden muss. Dafür grüssen die anstehenden Sommerferien überraschenderweise schon etwas früher und schelmisch an der Weinstrasse, wo der tapfere Schorle-Verweigerer hoch erfreut den ortsansässigen Weissburgunder mit den wundersamen Mineralien aus dem Schwarzwald ausgiebig nachspült.