Grössenwahn

Im Zuge der weltweiten Finanzkrise wurde seit 2008 jede Menge Kohle verheizt, um einen drohenden Kollaps zu verhindern. “Global banks are global in life, but national in death” stellte der Chef der Bank of England dazu lapidar fest. Es erschien volkswirtschaftlich rentabler marode Grossbanken staatlicherseits zu stützen oder gar aufzukaufen, als angesichts eines nationalökonomischen GAUs eine Weltwirtschaftskrise durch Domino-Effekt zu riskieren. Die tradierte Krisenerfahrung innerhalb der Bankenwelt — der Staat wird im Notfall schützend eingreifen — wurde so in ihrer Gewissheit weiter bestärkt.

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Grossbanken erhalten Fremdkapital zu vergünstigten Zinsen aufgrund der quasi staatlich garantierten Kreditwürdigkeit. Mit dem billigen Geld gehen die Bonusjunkies enorme investive Risiken ein, wobei wiederum staatliche Hilfe bei Misserfolg in die Kalkulation mit eingeht. Eine möglichst niedrige Eigenkapitalquote erhöht die Rendite und die Spekulation mit geliehenem Geld ist dank Hebelwirkung hochattraktiv. Ein eventuelles Scheitern systemrelevanter Grossbanken hinterlässt ein volkswirtschaftliches Fiasko — die Staatsfinanzen von Island und Irland lassen grüssen.

Hinzu kommen handwerkliche Fehler:

Es steht doch fest, dass die Krise von Finanzspezialisten verursacht wurde, die perverse Risikoberechnungen angestellt haben. Und die Banker, letztlich wir alle haben diesen mathematischen Modellen vertraut. Nun muss man wissen, dass viele dieser Spezialisten ehemalige Mathematiker und Physiker sind, Männer und Frauen also mit meiner Ausbildung.
Tatsache ist, dass vor allem die zweitklassigen Physiker zu den Banken abgewandert sind. Kein Wunder, haben die jetzt, ich kann es nicht anders sagen, Scheisse produziert. Die haben vor allem davon profitiert, dass kein Mensch verstand, was sie eigentlich taten. Erstklassige Physiker hätten solche Modelle niemals entworfen.

(aus einem Interview mit dem Astrophysiker Ben Moore)

 

In der Schweiz übersteigt die aktuelle Bilanzsumme der beiden Grossbanken Union de Banques Suisses (UBS) und Credit Suisse (CS) die inländische Wertschöpfung um das vierfache! Die Bilanzsumme der Deutsche Bank beträgt immerhin 80% der deutschen Wirtschaftsleistung.

Im testosterongesteuerten Finanzgeschäft dominiert die triebhafte Lust an Unterwerfung, Gier und Herrschaft und neigt systembedingt zur Übertreibung. Die zwitterhaft entstandene Finanz-Aristokratie mit ihrem ausgeprägten Individualismus als subjektiven und absoluten Massstab hat einen verzerrten Blick auf das grosse Ganze. Eine Zerschlagung der too-big-to-fail-Banken ist notwendig, um dem assymetrischen Risikogebaren (wenn es schief geht passiert nix, wenn es gut geht, rollt der Rubel) den Boden zu entziehen.

Das ganze Finanzsystem beruhte schon immer darauf, dass die “kleinen Leute” ALLES zahlen: Wer zahlt Miete? Wer bringt sein Geld auf die Bank? Wer zahlt Zinsen und Renditen auf alles mögliche? Wer arbeitet für den Reichtum der Reichen? Wer zahlt Steuern? Schlimmer kann es sowieso nicht mehr werden. Nur die Wege, wie das Geld zu den Banken und Reichen fliesst, ändern sich etwas. Immer Trickle-Up.

(Leserbriefschreiberin Nadine Binsberger)

2 Gedanken zu „Grössenwahn

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